Bei der Ausbildung und Erziehung der allermeisten Hunde ist irgendwann der Moment gekommen sich zu fragen: Warum macht er das? Oder besser: Warum macht er das, was ich von ihm möchte, nicht? Meistens lautet die Antwort wenn man genau hinsieht: Er kann es schlicht und ergreifend noch nicht.
Manchmal entscheidet sich der Hund aber auch aus freien Stücken dazu etwas zu tun was wir nicht möchten. Nun gilt es herauszufinden, warum das so ist und wie wir dafür sorgen können, dass der Hund sich in Zukunft anders entscheidet. Also dafür, zu „gehorchen“.
Fragt man Hundemenschen, was für ihren Hund ein guter Grund sein könnte ihnen zu gehorchen, trifft man häufig auf zwei Glaubenssätze:
1.: „Weil er weiß, dass ich der Boss bin.“ 2.: „Weil er mich liebt.“
Beide Denkweisen sind, wenn sie im Alltag richtig gelebt werden, kein Widerspruch zueinander und absolut richtig. Leider repräsentieren sie aber häufig zwei entgegengesetzte Pole im Zusammenleben mit Hunden, die durch ihre einseitige Betrachtungsweise das Wesen unserer Hunde nicht mehr komplett erkennen lassen und wertvolle Handlungsoptionen in deren Erziehung und Ausbildung von vornherein ausschließen.
Während der Gedanke, der „Boss“ des Hundes sein zu müssen häufig zu einem sehr harten und strafbasierten Umgang mit dem Hund führt, wird bei der Vorstellung ein Hund gehorche ausschließlich aus Liebe teilweise komplett auf Begrenzung und Konsequenz verzichtet. Dafür wird erwünschtes Verhalten mehr gelobt. Allerdings ausschließlich verbal, durch Streicheln, oder gemeinsames Spiel (was alles super ist), da das Belohnen über Futter oft von beiden Parteien als Bestechung abgelehnt wird.
Zur Beantwortung der Frage, warum es bei beiden Erziehungsstilen (und natürlich allen zwischen ihnen liegenden Graustufen) dazu kommen kann, dass Hunde unerwünschte Entscheidungen treffen, muss man sich nun also die Frage stellen, welche Gründe ein Hund tatsächlich haben kann um zu gehorchen.
Um eine Idee zu bekommen, frage dich doch einmal selbst:
Was bringt dich dazu zu tun, was jemand anderes von dir möchte?
Reicht es, wenn dieser Jemand dein „Boss“ ist und du Angst davor hast was passiert, wenn du nicht hörst?
Oder du vielleicht trotzdem versuchen, die Entscheidungen zu treffen die du für sinnvoll hältst - nur eben so, dass dein „Boss“ es nicht bemerkt? Oder wirst du irgendwann nur noch so wenig wie möglich und einfach Dienst nach Vorschrift machen? Auf jeden Fall würdest du deinen Boss ziemlich sicher nicht besonders cool finden und wenn du kannst vielleicht sogar kündigen.
Welche Eigenschaften muss ein Vorgesetzter nun für dich haben, damit du seinen Anweisungen gern folgst? Ich könnte mir vorstellen, dass deine Antwort einige dieser Punkte beinhalten könnte:
Er sollte wertschätzend sein, meine gute Leistung sehen und mich dafür Loben oder sogar belohnen.
Er sollte sinnvolle Entscheidungen treffen, die für das Erreichen unseres Ziels, für mich und für ihn gut sind.
Er sollte in Konflikten mit mir, aber auch mit anderen fair und durchsetzungsfähig sein.
Er sollte in Konflikten mit anderen für mich einstehen und mich unterstützen.
Stelle dir nun die gleiche Frage aus der anderen Perspektive: Wie häufig tust du etwas für jemand anderen ausschließlich aus Liebe? Ohne dass du es sinnvoll findest, es für dich gut ist, du Lust dazu, oder Angst vor einer negativen Reaktion des geliebten Menschen hast (z.B., dass er:sie enttäuscht ist) für den Fall, dass du nicht das Erwartete tust? Sei hier bitte ganz ehrlich zu dir selbst.
Beide Betrachtungsweisen laufen auf ähnliche Antworten heraus, die sich wunderbar auf unsere Hunde übertragen lassen. Auch ihnen reichen ein strenger „Boss“, oder pure Liebe nicht aus um immer Entscheidungen in unserem Sinne zu treffen. Was sie brauchen ist ein Mensch an ihrer Seite dem sie vertrauen, dass er es gut mit ihnen meint und an den sie sich binden können. Der gleichzeitig sinnvolle Entscheidungen treffen und diese auch durchzusetzen kann. Ob er dazu in der Lage ist zeigt sich jedoch nicht nur in Konflikten mit der Umwelt, sondern auch in der direkten Beziehung. Denn wie will sich jemand draußen gegen einen gemeinsamen Feind durchsetzen, wenn er sich zuhause nie durchsetzen kann?
Wie auch in der Mensch-Mensch-Beziehung genießt hier derjenige den größten Respekt, der seine Interessen ohne Gewalt, sondern ruhig und souverän vertritt. Einen besonderen Stellenwert hat dieser Punkt in Situationen, in denen Hunde unerwünschtes Verhalten zeigen, weil sie sich selbst schützen wollen. Hier fehlt es häufig am Vertrauen in den Menschen, durch Entscheidungen und Handlungen verlässlich Schaden vom Hund und vom Sozialverband abzuwenden.
Gleichzeitig sind unsere Hunde, genau wie wir am Ende des Tages auch, Opportunisten. Sie möchten etwas von ihren Entscheidungen haben. Und was für sie die größte Belohnung darstellt entscheiden sie am Ende (leider) selbst. Das kann ein nettes Wort, ein gemeinsames Spiel, oder auch ein ordentliches Stückchen Leberwurst sein. Und hier müssen wir uns die Frage stellen: Wollen wir dem Hund wirklich ein paar laue Worte und ein Streicheln über den Kopf als Ausgleich für eine nette Hasenjagd anbieten?
Ich bin wahrlich keine Freundin des inflationären und unendlichen Gebrauchs von Leckerlies. Aber für bestimmte Trainingsziele ergibt ihr Einsatz für eine bestimmte Zeit einfach Sinn und vereinfacht vieles. Die Angst, sich selbst zur seelen- und beziehungslosen Fütterungsmaschine des Hundes zu degradieren halte ich (macht man es richtig) für überflüssig. Denn auch hier kannst du dir wieder die Frage stellen:
Wie lange bleibst du in einer Firma, wenn du keinerlei zwischenmenschliche Anerkennung erfährst und dein einziger Benefit ein gutes Gehalt ist? Oder dich der Mensch mit dem du lebst zwar mit allem Materiellen versorgt, aber nie auch nur ein warmes Wort für dich übrig hat?
Liebe Franziska, deine Worte sind so passend gewählt und bringen mich direkt dazu, meinen täglichen Umgang mit dem Hund zu reflektieren. Ich hoffe, dass viele Hunderhalter/innen diesen Blog-Eintrag lesen und ebenfalls über ihre zwischenmenschhündliche Beziehung nachdenken und diese reflektieren. Danke für die gute und nachvollziehbare Erklärung, warum Training nur funktionieren kann, wenn die Bindung stimmt. 🙂